Unser Zukunftsbild Nachhaltige Wirtschaft
Unser Bankgeschäft beruht auf sozialen und ökologischen Kriterien, die unser Investitions-, Anlage- und Finanzierungsgeschäft prägen. Für unsere Firmenkund*innen gelten unsere Ausschluss- und Positivkriterien.
Für unsere sechs Branchen haben wir jeweils ein Zukunftsbild entwickelt. In diesen formulieren wir unseren gesellschaftlichen Gestaltungsanspruch. Jedes Zukunftsbild wird durch bestimmte Kernmerkmale - Qualitäten - beschrieben. Diese Kernmerkmale sind mit Wirkindikatoren unterlegt, damit sie messbar sind.
Das Zukunftsbild für die Branche Nachhaltige Wirtschaft lautet wie folgt:
Eine nachhaltige Wirtschaft erfordert eine neue Form des Konsums. Wir müssen anders konsumieren. Aber wie? Dafür gibt es bereits Beispiele: „Nutzen statt Besitzen“ und „Teilen statt Kaufen“ prägen die neue Konsumkultur. Diese setzt auf Genügsamkeit, bewusstes Konsumieren und das Prinzip „Weniger ist Mehr“. Wer sich von einem materialistischen Welt- und Selbstbild verabschiedet, dem ermöglicht Suffizienz ein „Mehr“ an Zeit, Natur, Genuss, Gesundheit und Achtsamkeit.
Der Mensch muss essen, wohnen, Energie nutzen, gesund sein, lernen, sozial und kreativ sein. Eine zukunftsfähige Wirtschaft befriedigt diese Grundbedürfnisse und erhält oder verbessert dabei unsere Lebensgrundlagen. Ziel ist es nicht, endlos zu wachsen, sondern Waren und Dienstleistungen bereitzustellen, die wirklich benötigt werden.
Wer auf die Natur achtet, pflegt auch faire Beziehungen zu seinen Beschäftigten, Partnern und Kundinnen. Eine solidarische und partizipative Beteiligungsstruktur, die auch Menschen aus dem Umfeld einbezieht, stärkt zudem gegen Konkurrenz. So können Unternehmerinnen den sozial-ökologischen Unternehmenszweck unabhängig und langfristig verfolgen. Eine nachhaltige Wirtschaft transformiert das bestehende Wirtschaftssystem grundlegend – zugunsten nachfolgender Generationen und der Natur.
Mit unseren Zukunftsbildern arbeiten wir seit einigen Jahren. Wir haben viele Daten zur sozial-ökologischen Wirkung unserer Kund*innen erfasst. Durch regelmäßige Auswertung und Feedback haben wir dazugelernt. Deshalb ist es an der Zeit, die Zukunftsbilder kritisch zu prüfen und – wo notwendig – zu aktualisieren. Unsere generalüberholten Zukunftsbilder werden wir bald veröffentlichen.
Herausforderungen und Schwerpunkte 2023
Unser Schwerpunkt für die Branche Nachhaltige Wirtschaft lag 2023 auf der strategischen Neuausrichtung der Branche. Hierfür haben wir uns zum Beispiel im Bereich der Circular Economy vernetzt.
Unsere größte Herausforderung war die schwache Konjunktur. Viele Unternehmen haben ihre Investitionen zurückgestellt. Einige Unternehmen hatten mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen.
Interview mit Thomas Micheler (ehemaliger Branchenkoordinator)
Ergebnisse der Wirkungstransparenz
Sinnstiftend
Wir leben die Überzeugung, dass Produkte und Dienstleistungen sozial und ökologisch verträglich sein müssen. Das betrifft die gesamte Lieferkette und die Nutzung der Produkte. Ein Produkt ist sinnstiftend, wenn es ein menschliches Grundbedürfnis erfüllt und dem Menschen über längere Zeit einen echten Mehrwert bietet.
Wir schließen gemäß unserer Anlage- und Finanzierungsgrundsätze Waffen und Rüstungsgüter, gesundheitsgefährdende und umweltverschmutzende Chemikalien, Tabakwaren, Gentechnik sowie Biozide und Pestizide, und Massentierhaltung aus.
Genauso überprüfen wir im Rahmen unserer Ausschlusskriterien, ob die Unternehmen Menschen- und Arbeitsrechte verletzten, in kontroverse Wirtschaftspraktiken verwickelt sind oder die Produkte aus klima- und umweltschädlicher Erzeugung stammen.
Ein gutes Beispiel für ein menschliches Grundbedürfnis ist Mobilität. Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für Teilhabe an der Gesellschaft.
Sinnstiftende Mobilitätsangebote schaffen umweltfreundliche Alternativen und ermöglichen allen Menschen Zugang. Die Mobilität der Zukunft ist unabhängig von dem Wohnort oder dem Einkommen. Ein wesentlicher Hebel einer sozial- und umweltverträglichen Verkehrswende ist die Umstellung des motorisierten Individualverkehrs auf vermehrt unmotorisierte und/oder geteilte Fahrzeuge. Ein gut ausgebautes öffentliches Nah- und -fernverkehrsnetz ist der Schlüssel. Diese Maßnahmen tragen zur Verbesserung der Luftqualität und einer höheren Sicherheit im Straßenverkehr bei. Gleichzeitig wird Raum geschaffen für Grünanlagen und Begegnung im öffentlichen Raum. Fahrradwege verbrauchen nur 1/6 der Fläche im Vergleich zu motorisiertem Straßenverkehr. Der wachsende Verkehrsflächenanteil in Deutschland führt zu einer zunehmenden Versiegelung der Böden.
Ein Instrument, um insbesondere die Nutzung von Fahrrädern zu fördern, ist das Fahrradleasing. Denn auch Arbeitgeber haben Einfluss auf das Mobilitätsverhalten ihrer Mitarbeitenden und können diese durch spezifische Angebote gezielt unterstützen. Unser Kunde Jobrad ist im Bereich Fahrradleasing der größte Anbieter in Deutschland.
Bei der Entwicklung von Mobilitätskonzepten muss der Gesundheitszustand der Menschen einbezogen werden. Ebenso müssen entsprechende Konzepte die gesellschaftliche Teilhabe berücksichtigen. Wir wollen, dass die Mobilität der Zukunft allen zugänglich ist und dabei bezahlbar bleibt. Im Kreditgeschäft selbst haben wir aber nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, solche Konzepte bei Unternehmen oder Kommunen zu beeinflussen.
Die Infrastruktur auf dem Land ist eine andere als in der Stadt. Daher müssen notwendige Verkehrsmittel Schritt für Schritt elektrifiziert werden. Durch die Elektrifizierung der Fahrzeuge können klimaschädliche Emissionen eingespart werden. Für eine Elektrifizierung der Fahrzeuge ist eine gute Ladeinfrastruktur notwendig. Deshalb fördert unsere Tochter GLS Mobility unter anderem den Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur sowie die Entwicklung intelligenter und vernetzter Mobilitätssysteme.
Genügsamkeit
Wesentliche Hebel zur Erreichung des Zielbilds zur Qualität „Genügsamkeit“ sind aus unserer Sicht neu gedachte Eigentums- und Finanzierungsmodelle für Unternehmen sowie Praktiken der Circular Economy (Kreislaufwirtschaft). Mehr dazu in den folgenden Abschnitten.
Transformativ
Der Begriff ‚innovativ‘ wird von Unternehmen, Banken und der Politik mindestens so häufig genutzt wie ‚Nachhaltigkeit‘. Beide Begriffe sind in ihrer Bedeutung nicht klar abgegrenzt und können auf vieles verweisen.
Wir verstehen unter Nachhaltigkeit eine Wirtschafts- und Lebensweise im Einklang mit den planetaren Grenzen bei Einhaltung des gesellschaftlichen Fundaments. Dabei ist Innovation ein wichtiger Hebel. Innovative Unternehmen entwickeln neue Ideen und schaffen Strukturen, um diese Ideen in die Welt zu bringen.
Wie bereits in der Qualität „Genügsamkeit“ erwähnt, sehen wir ein großes Potenzial in der Circular Economy. Wie das konkret aussehen kann, lässt sich gut bei unserem Kunden traceless materials GmbH nachverfolgen.
Die traceless materials GmbH hat ein natürlich kompostierbares, alternatives Material zu Kunststoff entwickelt, das ganzheitlich nachhaltig ist. Der patentierte Herstellungsprozess ist gut skalierbar und im industriellen Maßstab preislich konkurrenzfähig zu Neukunststoff. Das Material soll als Drop-In Lösung für die kunststoffverarbeitende Industrie produziert und in Produkten eingesetzt werden, die leicht in die Umwelt gelangen. Damit bietet das Unternehmen eine Lösung für die globale Kunststoffverschmutzung mit hoher gesamtgesellschaftlicher Relevanz.
Damit traceless sein innovatives Produkt marktfähig machen kann, finanziert die GLS Bank den Bau einer Single-Purpose Demonstrationsanlage zur erstmaligen Umsetzung des Herstellungsverfahrens im großtechnischen Maßstab (3.000t pro Jahr) in Hamburg-Harburg. Das Vorhaben, das Reststoffe der Agrarindustrie in Wertprodukte für die Kunststoffindustrie umwandelt, hat Vorbildcharakter für andere Bioraffinerie-Startups mit vergleichbaren Skalierungs-Herausforderungen und unterstützt die nationale Bioökonomiestrategie.
Zukunftsweisende Unternehmen wie traceless sind Vorreiter für unsere naturnahe Wirtschaft und Gesellschaft von morgen. Wir als GLS Bank suchen aktiv nach diesen Transformationstreibern und helfen mit unseren Geldern, eine bessere Zukunft ermöglichen.
Faire Partnerschaften
Die wohl wesentlichste Maßnahme für faire Partnerschaften ist ein vertrauensvoller und partnerschaftlicher Dialog entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das deutsche Lieferkettengesetz, sowie die Verabschiedung des europäischen Lieferkettengesetzes – der CSDDD – sind wichtige Meilensteine für künftige Beziehungen und Partnerschaften zwischen Zulieferern, Produzenten und Auftraggeber.
Wir freuen uns, dass 69 Prozent der 2023 finanzierten Unternehmen/Organisationen, von denen wir Daten erhoben haben, dauerhafte und faire Dialoge mit allen Zuliefer*innen zwecks Kostentransparenz und Abnahmesicherheit bereits implementiert haben. Weitere 20 Prozent befinden sich derzeit in Planung bzw. Umsetzung dieser Maßnahme. Wir gehen daher davon aus, dass unsere Kund*innen gut aufgestellt sind für die neue Regulatorik.
Dauerhafte und faire Dialoge mit allen Zuliefer*innen zwecks Kostentransparenz und Abnahmesicherheiten (nur relevante 2023 finanzierte Unternehmen/Organisationen)
Dabei wäre die CSDDD als europäische Richtlinie beinahe gar nicht verabschiedet worden. Als das Gesetz auf der Kippe stand, hat sich unser Kunde Riese & Müller proaktiv für ein starkes Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz engagiert.
Der E-Bike-Produzent ist angewiesen auf komplexe globale Lieferketten. Deshalb schätzt er die Partnerschaften und hat in den letzten Jahren umfangreiche Maßnahmen zum Dialog für faire und ökologische Bedingungen mit Tier-1- und 2-Lieferanten aufgenommen. Innerhalb der Zulieferpyramide sind das die Lieferanten der beiden höchsten Ebenen. Hierzu zählt z.B. der Produzent für die Batteriezellen, nicht aber die Feinraffinerie oder gar der Rohstofflieferant für die seltenen Erden.
Mit den letztgenannten besteht oft kein direktes Geschäftsverhältnis. Umso wichtiger ist der Dialog mit Tier 1 & 2, um Vereinbarungen zu treffen, dass diese bei ihren Lieferanten wiederum auf bestimmte Standards achten oder Maßnahmen umsetzen. Je komplexer die Lieferkette ist, desto aufwendiger sind die Dialoge. Dranbleiben lohnt sich aber, denn nach und nach legen immer mehr Unternehmen Wert auch nachhaltige Lieferketten und so verändert sich der globale Markt.
Selbstbestimmt
Nachhaltige Unternehmen oder StartUps starten oft mit großen Ambitionen. Sie wollen die Welt ein Stück gerechter machen und bieten Produkte an, die „die Welt retten“. Diese Versprechen können sie oft nicht einlösen, da die Renditeerwartungen von Eigenkapitalgebern sie von ihrem ursprünglichen Zweck entfremden. Sogenannte ‚purpose’-orientierte Unternehmen können sich schützen, indem sie Oberlimits für Beteiligungen durch externe Investoren einführen.
Die Purpose Stiftung hat es sich zum Auftrag gemacht, sinnorientierten Unternehmen dabei zu helfen „ihre Mission in den Mittelpunkt zu stellen und dauerhaft unabhängig zu bleiben.“ Durch neu gedachte Eigentums- und Finanzierungsmodelle macht Purpose „Verantwortungseigentum und alternatives Kapital einfach zugänglich“.
Je nach Unternehmenszweck bietet sich auch die Genossenschaft an, um Selbstbestimmung zu fördern. Ein gelungenes Beispiel hierfür sind die Elektrizitätswerke Schönau (EWS). Die EWS sind 2009 als Bürgerinitiative gestartet und kämpfen seitdem als bürgereigene Genossenschaft für eine konsequent nachhaltige Energiezukunft. Mit rund 2,2 Mio. EUR pro Jahr fördern die EWS die bürgernahe Energiewende und Klimaschutzprojekte.
Abschluss & Ausblick
Wir freuen uns im Jahr 2024 auf die Weiterentwicklung unserer Branche. Auf Grundlage des neuen Zukunftsbilds werden wir eine neue, verbesserte Wirkungsmessung realisieren.